Von der Theorie zur Praxis – Angehende Notfallsanitäter des DRK in höchstem Maße gefordert
Simulationstraining für die DRK Rettungsdienst Vorderpfalz GmbH am 09. Juni 2018
„Verkehrsunfall, unklare Lage“, ein häufiges Einsatzstichwort im Rettungsdienst. Die zweiköpfige Besatzung macht sich auf den Weg zu ihrem Einsatzfahrzeug und fährt los. Mit Blaulicht bahnen sie sich den Weg zum Einsatzort. Der große Rettungswagen fährt um eine Kurve und ein gestürzter Radfahrer taucht vor ihnen auf der Straße liegend auf. Der verletzte und blutende Mann liegt unter seinem deformierten Fahrrad und schreit laut vor Schmerzen. Sofort wird der Einsatzwagen zum stehen gebracht. Das Rettungsteam steigt aus und begibt sich zum Verletzten. Schnell jedoch wird aus dem bisher normalen Einsatz mit individualmedizinischer Versorgung eines einzigen Patienten eine ganz andere Lage.
Der Blick der beiden Helfer wandert nach rechts die Straße entlang, wo weitere auf der Straße liegende, zum Teil regungslose Personen erkannt werden, während mehrere augenscheinlich verwirrte und verletzte Menschen hilflos in der Szenerie umherlaufen. Sofort erfolgt von einem der beiden Retter eine erste Rückmeldung an die Leitstelle mit dem Stichwort: „Massenanfall von Verletzten“. Der Andere läuft unterdessen die Straße zur weiteren Erkundung entlang, um sich ein genaueres Bild von der Situation zu machen. Durchzählen: „5, 6, 7 Verletzte“ und es werden immer mehr. Hinter einer weiteren Kurve ist ein Pkw frontal an einen Baum gefahren, nachdem er offenbar von der Straße abgekommen ist. Insgesamt können nach Ende der Lageerkundung und Erstsichtung 15 verletzte und betroffene Personen an die Leitstelle gemeldet werden. Noch während die Erkundung durch die Besatzung des ersten Rettungsmittels läuft, treffen weitere Rettungsteams an der ausgedehnten Unfallstelle ein. Nach erfolgter Meldung bei den bereits vor Ort befindlichen Einheiten und kurzer Absprache beginnen die Teams nach und nach mit der Versorgung der Patienten. Da es zu diesem Zeitpunkt jedoch noch an weiterem Personal und Material mangelt, müssen klare Behandlungsprioritäten geschaffen werden, was durch die bereits erfolgte Erstsichtung sowie die Verwendung von Verletztenanhängekarten deutlich erleichtert wird.
Die Minuten verstreichen und noch immer sind einige der verletzten Personen nicht oder nur unzureichend versorgt. Erschwerend kommt zudem hinzu, dass sich die Unfallstelle und somit die Verteilung der Patienten auf knapp 150 Meter erstreckt. Eine Verletztensammelstelle wird zentral unter einem großen, schattigen Baum eingerichtet, um vorhandenes Personal und Material optimal einsetzen und verteilen zu können. Gehfähige Patienten werden durch einen Helfer zum Sammelplatz geführt und die schwerer verletzten Personen mithilfe von Krankentragen, Spineboards und den Fahrtragen der Rettungsfahrzeuge transportiert. Einer der Retter kümmert sich indes an der Sammelstelle um eine bewusstlose Patientin mit Kopfverletzungen, eine Frau mit schwerer Wirbelsäulenverletzung im Lendenwirbelbereich sowie einen kreidebleichen Mann mit totaler Oberarmamputation, der angestrengt vor Schmerzen stöhnt - alle drei in einem höchst kritischen Zustand.
Die Beteiligten stehen zu diesem Zeitpunkt unter maximalem Stress und sind hoch konzentriert. Es sind bereits knapp 25 Minuten seit dem Eintreffen des ersten Rettungswagens an der Einsatzstelle vergangen. Einer der beobachtenden Ausbilder schaut auf seine Uhr und pfeift einige Momente später die Übung ab. Die ernsten und gestressten Minen der 13 an der Einsatzübung teilnehmenden, in Ausbildung befindlichen Notfallsanitäter der DRK Rettungsdienst Vorderpfalz GmbH entspannen sich allmählig und die Patientendarsteller erheben sich.
Das beschriebene Einsatzszenario bildete die Abschlussübung des eintägigen Simulationstrainings, welches die Opens external link in new windowRAG Sanitätsdienst Rheinland-Pfalz im Rahmen der Zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) für die angehenden Retter in der Südpfalz Kaserne in Germersheim organisiert und veranstaltet hat. Vorangegangen waren am Morgen eine Unterweisung mit praktischer Übung in die Erstsichtung, den Umgang mit Verletztenanhängekarten und das PRIOR-Schema sowie am Mittag zwei kleinere Übungsszenarien, alles unter Aufsicht von mehreren Ausbildern der RAG sowie zwei Praxisanleitern und einem Leitungsteam der Geschäftsführung des DRK Rettungsdienstes. Das Ziel des Tages - welches voll und ganz erfüllt wurde - war das schrittweise heranführen an eine zwar meist theoretisch bekannte, aber wenig bis gar nicht praktisch trainierte, ungewohnte Einsatzsituation. Was tue ich, wenn ich in eine Lage mit vielen Verletzten und Betroffenen komme? Wie gehe ich vor, wie schaffe ich klare Strukturen für einen reibungslosen Einsatzablauf und wie setze ich in der Erstphase meist viel zu geringes Personal und Material optimal ein? Das alles konnten die Teilnehmer über den Tag hinweg mehr und mehr erfolgreich umsetzen.
Ein großes Zutun an der stets hochkarätigen Ausbildung haben nicht zuletzt die vielen Patienten- und Verletztendarsteller, die teils selbst aus dem aktiven Rettungs- und Medizinwesen kommen und ihre Rollen mit Professionalität und Leidenschaft spielen. Natürlich gehört bei solchen Übungen auch immer die Arbeit des Teams der Realistischen Notfalldarstellung (RND) dazu, welches es mit Hilfe von allerlei Schminkmaterial und handwerklichem Geschick schafft, äußerst realistische Verletzungen auf die Darsteller zu zaubern und dadurch den ganzen Übungen den letzten „Schliff“ gibt.
Die RAG Sanitätsdienst Rheinland-Pfalz und die Rettungsdienst Vorderpfalz GmbH bedankt sich an dieser Stelle noch einmal bei allen Teilnehmern, die teilweise bis an ihre Leistungsgrenze gegangen sind, um die ihnen gestellten Aufgaben zu meistern. Zudem gilt ein ganz großer Dank den vielen Ausbildern, Helfern und ganz besonders den Darstellern, die wie immer eine grandiose Leistung abgelegt haben!
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Text: B. A. Schäfer; Bilder: diverse